Mittwoch, 20. Februar 2008

Zukunftsmusik

Auch wenn man's mir nicht zutraut: Manchmal, wenn ich eine ruhige Minute habe, mache ich mir Gedanken über Gott und die Welt. Mit "Gott und die Welt" meine ich in erster Linie Poker.
Ich habe mich schon öfters gefragt, woher meine Leidenschaft für headsup-Poker kommt. Fakt ist, dass ich überhaupt damit begonnen habe, lag an meiner zunehmenden Abneigung gegen das klassische 6-max-game.

Was mich daran stört?

Ganz eifach: die Gegner werden immer besser. Heute kann sich jeder, der über Disziplin, eine gewisse Inteligenz und einen Internetanschluss verfügt, eine hervorragende Pokerausbildung beschaffen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Dank Pokerstrategy, Cardrunners, stoxpoker und co. kann man sich praktisch risikofrei und professionell schulen lassen.
Ich weiss, das klingt wie die Worte eines 60-jährigen Automechanikers, der 40 Jahre lang an Motoren geschraubt hat und nun plötzlich nicht mehr mit der neuen Technik zurecht kommt und frustriert ist, dass er nicht mehr mit den Jungen mithalten kann.
Aber hier geht es nicht um mich. Ich bin überzeugt, dass (online-)Poker in einigen Jahren praktisch nicht mehr wirklich profitabel spielbar sein wird, ausser für einen verschwindend kleinen Prozentsatz von Topspielern.
Wie wir alle wissen, ist Poker nicht gleich Tennis, wo ein Roger Federer praktisch alle Turniere gewinnt, bei denen er antritt. Im Tennis geht's immer besser, es ist immer möglich, die Aufschläge noch härter zu schlagen, die Bälle noch präziser zu spielen etc.
Beim Poker gibt es, wie es Reto Schläpfer in seinem Blog mal beschrieben hatte, ein theoretisch perfektes Spiel. Je näher das Spiel des Durchschnittsspielers an diesem theoretischen Maximum ist, desto unprofitabler wird Poker, so einfach ist das.
Im Moment erfolgt die Grundversorgung des Pokerkreislaufs noch über die Massen an Fischen, die – Pokerboom sei dank – ihr Geld in Umlauf bringen. Doch was ist, wenn der Boom vorbei ist? Das Fischsterben beginnt, die games werden tougher, gute regulars müssen runter in den Limits, um die winrate halten zu können, die Einsteigerlimits werden immer uninteressanter für Anfänger etc.
Jaja, das ist jetzt natürlich ziemlich pessimistisch, aber ich denke, darauf wird es hinauslaufen. Klar wird es immer ein paar Mutige geben, die sich "high stakes poker" im Fernsehen anschauen, 200$ einzahlen und diese innert Minuten verblasen. Klar wird es immer compulsive gamblers geben, die einfach nicht anders können. Aber ob dieses Geld (minus rake) ausreichen wird, die immer besser werdenden regulars zu füttern, wage ich zu bezweifeln...
Und dass einer wie Reto Schläpfer, der einer der hellsten Köpfe und mit Sicherheit der beste Pokerspieler ist, den ich kenne, der sich fast nonstop mit Poker beschäftigt, mit einer winrate von gerade mal 2PTBB/100 auf NL400 rechnet, bestärkt mich noch in dieser etwas dunklen Prognose.

Aber um auf headsup-poker zurück zu kommen: dieses Gebiet ist noch vergleichsweise unerforscht. Man muss da rausgehen und spielen, Erfahrungen sammeln. Es braucht so was wie Pioniergeist, und es braucht risikobereitschaft um hier einen guten Schnitt zu machen. Ich denke, das ist es, was mich am meisten an dieser Art von Poker reizt. Es hat noch etwas jungfräuliches und kreatives und ist noch nicht so zu einer Wissenschaft verkommen.

Das Fazit für mich persönlich habe ich schon längst gezogen. Mit einem Spieler, der genügend Disziplin hat, sich in das Thema zu vertiefen, der die Lust und die Zeit hat, 40'000 Hände pro Monat zu spielen, kann ich schlicht nicht mithalten. Angesicht der oben beschriebenen Situation habe ich auch überhaupt keine Lust dazu, soviel Zeit in etwas zu investieren, was ich nicht für zukunftstauglich halte.
Ich werde niemals ein Topspieler sein, ich werde niemals viel Geld mit Poker verdienen.
Aber eins kann ich euch versprechen: Ich werde trotzdem immer seated sein und meinen Spass haben. Und auch wenn die "nerds" headsup-Poker übernommen haben, gibt es bestimmt noch eine andere Nische, in der ich mich austoben kann. Seien es crazy pineapple-SNG's, 5-card-draw-MTTs oder Roshambo-matches.

'cause all I got is the love for the game, baby.


In dem Sinne:

keep the spirit alive, love and peace out

cheers, Märchy

6 Kommentare:

Paxinor hat gesagt…

vielen dank für die blumen und so:

leider beschäftige ich mich nicht "non stop" mit poker wie ich schmerzlich erleben musste nachdem ich leute wie armi94 oder andere die einfach easy 30k hände im monat spielen.

man glaubts kaum aber ich komme kaum auf 7k...

ich sehe für die zukunft aber noch so schwarz:

der Grund ist folgender: Fishe werden nicht aussterben. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Es wird IMMER so viele Fische geben um das Spiel alive zu halten mit ein wenig Tableselection oder was auch immer:

Der Grund ist einfach: scheiss auf die Informationsquellen cardrunners etc. Die meisten "dummen" Leute sind eben auch zu dumm um auf die richtigen Leute zu hören

Es gibt (deutsche) Leute die kennen Angela Merkel nicht. es gibt Leute, die glauben, dass Freimaurer die Welt beherrschen. Es gibt 1000ende von Menschen die bei "the next Uri Geller" für Vincent Raven anrufen

oder der Ultimative Beweis: Es gibt 1000ende von Leuten, die immer noch Roulette spielen: Es ist sehr einfach an die Informationen zu Roulette zu kommen. Man hats ja sogar in der Mathematik in der Schule. Es spielen trotzdem welche, seit ewig... es gibt sogar leute, die wissen das es -EV ist und sie spielen trotzdem!!

Jetzt die komplexheit von Poker dazu und voila: genügend Fische, dass du für immr und ewig irgendwo +EV spielen kannst.

Klar es ist nicht free money. Man wird nicht mit 0 Zeitaufwand Millionär werden, so ist es nun mal. Ich als Ökonom kann dir sagen das im Gleichgewicht nichts gratis ist, auch in Poker nicht.

Aber war es früher wirklich besser? Woher wusste man das man Winning Player war? Man hatte keine Ahnung von Varianz, man wusste nicht mal genau was man da tut... Klar es ist heutzutage schwer wirklich gut zu werden... aber es ist eben auch schwer Schlecht zu werden. Irgendwo wurde eine gewisse unsicherheit aus Poker herausgenommen, und ich denke das überwiegt den Vorteil der härteren Games fast.

Früher da sass noch einer hin und hatte nen Run und dachte er sei der chief... ist ja sogar heute noch so... damals noch viel schlimmer... sowas passiert einem halbwegs denkenden Menschen heute nicht mehr. Eigentlich ist es also fast gerechter.

Klar nicht jeder will so viel zeit investieren um zu den top of the top zu gehören (ich auch nicht) aber in Poker wird einem oft suggeriert, das Erfolg leicht zu haben ist oder wenigstens zu haben gewesen ist. Aber eigentlich ist nur Glück oder Pech leicht zu haben. Skill war schon immer schwer. Damals unsicherheit, heute Zeitaufwand.

Schpacko hat gesagt…

Mit "sich mit Poker beschäftigen" meine ich nicht unbedingt spielen, damit meine ich lesen, schreiben, Hände analysieren, oder sich einfach nur Gedanken darüber machen.

Ob es früher einfacher war, kann ich natürlilch nicht persönlich beurteilen, ich kann nur wiedergeben, was ich so lese und höre, und für mich macht das absolut Sinn. Die "guten" werden immer besser aber die "schlechten" werden nicht schlechter, die bleiben einfach fishy.

Ich seh das mit den Fischen folgendermassen: Poker funktioniert ja so ähnlich (na ja, nicht ganz) wie ein Schneeballsystem. Für jeden neuen winning player benötigt es minimum einen neuen losing-player, der gleich viel Geld verliert, wie der winning-player gewinnt, sonst funktioniert das ganze System nicht mehr. Im Moment stimmt das shark/Fisch-Verhältnis offenbar noch, doch wird das auch so bleiben?
Ich sage ja auch, dass es immer Fische geben wird, das ist klar. Aber Poker ist eine Modeerscheinung, und wird nicht immer so beliebt bleiben. Poker war auch schon mal "tot" bevor es in den Neunzigern den grossen Aufschwung gab. Schau dir nur schon mal die schweizer Casinos an, vor fünf Jahren konntest du praktisch nirgends Poker spielen.

Auch wenn die Anzahl der Fische gleich bleibt, reicht das nicht, weil es immer mehr und immer bessere "sharks" gibt. Losing Player werden zu winning player, umgekehrt wird es wohl eher selten der Fall sein.

Fazit: Es braucht eine stetige ZUNAHME an Fischen, sonst funktioniert das ganze nicht mehr.

Ich bleibe bei meiner Behauptung: Im Moment erleben wir noch das "goldene Zeitalter" von Poker, aber irgendwann wird das vorbei sein. Wann, weiss ich nicht, aber für mich ist das nur eine logische Schlussfogerung.



Und ja, nur um eins klar zu stellen, allen Blumen zum trotz: Für mich bist du immer noch "eazy money" ;)

Gruss

WanderBert hat gesagt…

Hallo ihrs, finde die Gedanken gar nicht so schlecht. Und eindeutig wird das wohl leider auch nur die Zeit beantworten...

Ich denke aber auch, das Poker sich irgendwann auch mal wieder ändern wird. Aber davon sind wir derzeit wohl noch etwas entfernt, 4-5 Jahre sind sicher noch drin um von einem kleinen Boom zu reden. Wenn man so liest, wird feste daran gearbeitet Poker auch in Asien bekannt zu machen, nachdem der Markt der USA weggefallen ist. Asien, da gibt es eine Menge Menschen, eine Menge Leute, denen man unter Umständen auch sugerieren kann, mit Poker einfach und schnell gut Geld zu verdienen oder auch nur Spass zu haben. Auf alle Fälle: ein großer Zustrom an neuen Spielern.

Nettes Posting, mal was anders :)

Andreas hat gesagt…

Gute Diskussion, auch wenn ich es mit paxinor und coolhawk halte.
Die nächsten Jahre - sofern der Staat keinen deutlichen Regel vorschiebt - wird es mit dem Pokern weitergehen.
Selbst wenn der Trend in einzelnen Staaten nachlässt, werden dafür andere aufgetan.
Was das Verhältnis der Winning zu Losing Player angeht, werden immer die Losing Player überwiegen.

Gruß
Chorus

armi94 hat gesagt…

Langfristig spielen nur Winning Player weiter, das Gute ist aber, dass immer neue Fisch die Alten ersetzen. Ich glaube Poker wird auch in Zukunft Bestand haben und wenn nicht, wird wieder mehr live mit Kollegen gespielt statt online gezockt.

Bonushure hat gesagt…

Jo, gefällt mir gut der Artikel. Hab ihn bei mir verlinkt. Sehe es allerdings etwas differenzierter, d.h. wenn kein Poker, dann halt Skat oder so in Zukunft.

Viele Grüße,

Bonushure